PM 17/2014
Saarbrücken, 9. Oktober 2014: „Glücksspiel kann süchtig machen!“ lautete der Titel einer Fachveranstaltung, die in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Präventives Handeln (LPH) und der Landesfachstelle Glücksspielsucht Saar am 08. Oktober 2014 in der Landesmedienanstalt Saarland (LMS) stattfand.
In seiner Begrüßung verwies Dr. Jörg Ukrow, Stellvertretender Direktor der LMS, auf deren besondere Position als Medienaufsicht, Einrichtung zur Förderung der Medienkompetenz sowie – bundesweit einmalig – Aufsicht über Glücksspielangebote in Rundfunk und Internet. „Schützen und Informieren der Bevölkerung begreifen wir als wesentliche Aufgabe, der wir uns auch mit solchen Veranstaltungen widmen.“
Der Soziologe Hartmut Görgen informierte in seiner Einführung über die Entwicklung der Spielsuchtprävention in den letzten zehn Jahren. Insbesondere im Bereich der Automatenspiele habe es eine dramatische Entwicklung der Dichte von Spielangeboten gegeben, die erst ab 2012 zu einem Stillstand auf hohem Niveau gekommen sei. Eine neue Generation von Automaten konfrontiere überdies die Spieler mit Spielabläufen, deren Schnelligkeit und Ereignisfrequenz kein Nachdenken über das eigene Spielverhalten zuließen und die den Kontrollverlust förderten. „Bei pathologischen Spielern wird so aus dem Zahlungsmittel Geld ein Rauschmittel“, so Görgen. „Die Bruttospielerträge an Geldspielautomaten beliefen sich 2012 auf 4,4 Milliarden €, die Erträge im Bereich der illegalen Online Casino- und Pokerspiele sowie Online-Sportwetten auf ca. eine Milliarde €. Volkswirtschaftlich betrachtet handelt es sich hierbei um Güter mit negativem Nutzen“, d. h. sie verursachen Kosten und Schäden. Die Anzahl der Spieler mit problematischem Spielverhalten im Saarland bezifferte Görgen mit 3.000, die mit pathologischem Spielverhalten auf ca. 2.500 Personen.
Kristina Weyer und Markus Arand von der Landesfachstelle Glücksspielsucht berichteten aus ihrer Arbeit und zum aktuellen Stand von Beratungsangeboten und Spielsuchtproblematik im Saarland. Anhand von Fallbeispielen wurden exemplarische Suchtkarrieren geschildert. Dabei wurde auch der Einsatz bekannter Persönlichkeiten aus dem Sport wie z.B. Oliver Kahn in der Glücksspielwerbung kritisiert, die mit ihrer Vorbildfunktion insbesondere im Bereich der Sportwetten den Eindruck allgemeiner Akzeptanz und Normalität von Glücksspielen erweckten. Das Hilfesystem im Saarland sei ein Gefüge u. a. aus Psychosozialen Beratungsstellen, Kliniken und Selbsthilfegruppen. Das Angebot werde sowohl von Betroffenen als auch deren Angehörigen in allen Landkreisen genutzt. Auslöser für die Kontaktaufnahme seien oft auch hohe Verschuldungsprobleme.
Über „Glücksspiel: Spielhallen, Spielcafés und Sportwetten“ berichtete Jürgen Trümper, Geschäftsführer des Arbeitskreises gegen Spielsucht e. V. aus Unna. Auf der Grundlage von Datenerhebungen und Untersuchungen des Glücksspielmarktes sowie anschaulichen Schilderungen der Angebotsstrukturen in den Städten wurden bundesweit Angebotsentwicklung, Glücksspielarten und
Nutzungsverhalten beleuchtet. Für das Automatenspiel stellte Trümper bis 2012 einen enormen Anstieg der Spielhallenkonzessionen fest, seitdem erfolgt eine Abflachung. Im Saarland bestehen aktuell 249 Spielhallenkonzessionen. Bundesweit Vorbildcharakter habe dabei die Durchsetzung und Kontrolle des Betriebes nach geltendem Recht. Sorge bereite aber generell die nicht kontrollierte Aufstellung von Spielgeräten in Gastronomie und Scheingastronomie.
In jüngerer Zeit stelle der Arbeitskreis gegen Spielsucht eine Verlagerung der Glücksspielpräferenzen vor allem jüngerer Altersgruppen vom Automatenspiel in den Bereich der Sportwetten fest. Es handele sich hierbei um einen noch unregulierten Markt, der aber bereits mit Online-Sportwetten ca. 3,65 Milliarden € und in Wettbüros ca. 2,94 Milliarden € umsetze. Die Spielanreize von Sportwetten besonders für ein junges Publikum bewertete Trümper als geprägt durch eine hohe Ereignisdichte, hohe Verfügbarkeit, starke Emotionalität und soziale Dynamik. Variable Einsätze sowie vermeintliche Kompetenz bei Wetten auf Sportereignisse erzeugten zudem die Illusion einer Kontrolle, die bei näherer Betrachtung nicht gegeben sei. Trümper appellierte eindringlich, offene Regulierungsfragen zügig zu regeln und strukturelle Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.
In seinem Vortrag zu Glücksspielwerbung und Jugendschutz griff Dr. Jörg Ukrow das Thema Regulierung auf und stellte es in den Kontext europäischer, nationaler und föderaler Rechtskreise. Es sei durchaus möglich, auf europäischer Ebene und davon abgeleitet auch national kontrollierend in die Marktentwicklung einzugreifen und eine Eindämmung illegaler Angebote zu erreichen. Zwar existiere bislang keine bereichsspezifische Rechtsetzung der EU auf dem Sektor der Glücksspielwerbung und des diesbezüglichen Jugendschutzes, aber auch für die Glücksspielwerbung könne die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste der EU bedeutsam sein. Z.B. dürfe Audiovisuelle Kommunikation schon jetzt keine Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit gefährden oder zur körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung Minderjähriger führen. Auch sei der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zu entnehmen, dass es durchaus Ziel eines nationalen Gesetzgebers sein kann, einer Ausnutzung von Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken dadurch vorzubeugen, dass eine Politik der kontrollierten Expansion sie in kontrollierbare Bahnen lenkt, was auch den Zielen des aktuellen Glücksspiel-Staatsvertrages entspricht.
Dr. Ukrow: „Die Glücksspielregulierung bewegt sich in einem Spannungsfeld von Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht und Begrenzung und Kanalisierung des Glücksspielangebots. Bei der Weiterentwicklung dieser Regulierung ist eine Kohärenz der Regulierung unabdingbar und ein Dialog zwischen allen beteiligten Regulierern unverzichtbar.“
Kontakt:
Viola Betz
Pressesprecherin