Sportwettenregulierung zu Unrecht in Verruf

Neueste Studie weniger durch Fakten als durch Lobbyinteressen gesteuert

PM 15/2017

Saar­brü­cken, 30. Mai 2017: Die ges­tern vor­ge­stell­te, vom Deut­schen Sport­wet­ten­ver­band und dem Deut­schen Online Casi­no­ver­band geför­der­te Stu­die „Fak­ten­ba­sier­te Eva­lu­ie­rung des Glücks­spiel­staats­ver­tra­ges“  reiht sich ein in Bemü­hun­gen, die Rati­fi­ka­ti­on des Zwei­ten Glücks­spie­län­de­rungs­staats­ver­tra­ges in den Lan­des­par­la­men­ten über schein­bar wis­sen­schaft­lich fun­dier­te Argu­men­te­ge­gen das gewähl­te Regu­lie­rungs­mo­dell zu belasten. 

Der Titel der Stu­die führt in die Irre. Es geht in der Stu­die weni­ger um Fak­ten als um Lob­by­ing. Eine umfas­sen­de Eva­lu­ie­rung des Glücks­spiel­staats­ver­tra­ges durch die Glücks­spiel­auf­sichts­be­hör­den ist der­zeit, wie gesetz­lich vor­ge­se­hen, in der abschlie­ßen­den Bera­tung. Wis­sen­schaft­li­che Gründ­lich­keit hät­te dafür gespro­chen, die Ergeb­nis­se die­ser Exper­ti­se abzuwarten.

Die Stu­die bemüht sich zum wie­der­hol­ten Male, das der­zei­ti­ge Modell einer an ord­nungs­recht­li­chen Ziel­vor­ga­ben ins­be­son­de­re des Jugend- und Ver­brau­cher­schut­zes, der Sucht­prä­ven­ti­on und der Wah­rung der sport­li­chen Inte­gri­tät aus­ge­rich­te­ten Regu­lie­rung des Sport­wet­ten­mark­tes als zum Schei­tern ver­ur­teilt dar­zu­stel­len. Kei­ne der in der Stu­die inso­weit vor­ge­tra­ge­nen Argu­men­ta­ti­ons­li­ni­en hält einer seriö­sen und vor­ur­teils­frei­en Über­prü­fung stand. Die Stu­die ver­schweigt kon­se­quent die weit über­wie­gend das Regu­lie­rungs­mo­dell der Län­der stüt­zen­de herr­schen­de Recht­spre­chung nicht nur in Deutsch­land bis zum Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, son­dern auch des Euro­päi­schen Gerichts­hofs. Das Ziel einer Kana­li­sie­rung des natür­li­chen Spiel­triebs in der Bevöl­ke­rung lässt sich durch eine völ­li­ge quan­ti­ta­ti­ve Frei­ga­be der Sport­wet­ten, wie sie die Stu­die vor­schlägt, erkenn­bar nicht errei­chen. Risi­ken eines voll­stän­dig geöff­ne­ten Sport­wet­ten­mark­tes wie z. B. im Bereich der Geld­wä­sche wer­den in der Stu­die kon­se­quent aus­ge­blen­det oder ver­harm­lost. Glei­ches gilt mit Blick auf Gefähr­dun­gen der Sport­in­te­gri­tät durch die in der Stu­die gefor­der­te Frei­ga­be für Ereig­nis­wet­ten. Inso­weit läuft die Stu­die dem Ansatz, Sport­ma­ni­pu­la­tio­nen wirk­sam zu begeg­nen, dia­me­tral entgegen.

Als Lösung der behaup­te­ten Voll­zugs­pro­ble­ma­tik wird in der Stu­die die gesetz­li­che Zulas­sung die­ser – von Sucht­fach­leu­ten ein­deu­tig als beson­ders sucht­ge­fähr­li­chen – Spie­le pos­tu­liert. Die­ser Vor­schlag wird von Sucht­ex­per­ten nahe­zu ein­hel­lig abge­lehnt. Im Inter­net exis­tie­ren gegen­wär­tig zahl­lo­se wei­te­re ille­ga­le Erschei­nungs­for­men wie bei­spiels­wei­se Kin­der­por­no­gra­phie oder Gewalt­verherrlichung; die­se nur des­halb zuzu­las­sen, weil sie nicht gänz­lich unter­bun­den wer­den kön­nen, erscheint absurd.

Die Autoren der Stu­die beto­nen die Bedeu­tung der fort­schrei­ten­den Digi­ta­li­sie­rung für den Glücks­spiel­markt. Aus der Digi­ta­li­sie­rung auf die Sinn­lo­sig­keit einer effek­ti­ven Sport­wet­ten­re­gu­lie­rung zu schlie­ßen, wie dies die Stu­die prägt, ist indes­sen ver­fehlt. Das Inter­net war und ist kein rechts­frei­er Raum – auch kein rechts­frei­er Raum für unbe­grenz­tes Glücks­spiel. Es gilt in den kom­men­den Jah­ren, für eine wirk­sa­me Durch­set­zung von Gemein­wohl­in­ter­es­sen im Inter­net, neue Wege zu beschrei­ten – auch in der Zusam­men­ar­beit von Län­dern, Bund und EU bei der Bekämp­fung von aus guten Grün­den ins­be­son­de­re des Spieler- und Jugend­schut­zes sowie der Geld­wä­sche­be­kämp­fung ille­ga­len Glücksspielen.

 

Zum Hin­ter­grund:

In einer als „Stu­die einer Grup­pe von Wis­sen­schaft­lern“ bezeich­ne­ten und am 29.5.2017 ver­öf­fent­lich­ten Abhand­lung wird erneut behaup­tet, die aktu­el­le deut­sche Glücks­spiel­ge­setz­ge­bung sei ins­be­son­de­re des­halb geschei­tert, weil gera­de im Inter­net ille­ga­le Glücks­spie­le nicht hin­rei­chend unter­bun­den wer­den könn­ten. Auf­trag­ge­ber der Stu­die waren Ver­bän­de kom­mer­zi­el­ler Glücks­spiel­an­bie­ter; zahl­rei­che Mit­glie­der die­ser Ver­bän­de bie­ten seit Jah­ren und bis heu­te in Deutsch­land ver­bo­te­ne Glücks­spiel­for­men ins­be­son­de­re auch im Online­be­reich an.

Glücks­spie­le sind kei­ne nor­ma­len, son­dern beson­de­re Wirt­schafts­gü­ter, ins­be­son­de­re weil sie nur bestehen und funk­tio­nie­ren kön­nen, wenn mehr ver­lo­ren als gewon­nen wird. Dadurch wird die Ver­mark­tung von Glücks­spie­len zwar wirt­schaft­lich äußerst attrak­tiv, aller­dings wer­den die grund­sätz­li­chen Vor­tei­le eines frei­en Mark­tes ins Gegen­teil ver­kehrt. Nament­lich hät­te ein geöff­ne­ter Glücks­spiel­markt unaus­weich­lich eine Schmä­le­rung der Mit­tel der meis­ten pri­va­ten Haus­hal­te zur Folge.

Unab­hän­gig davon besteht das Pro­blem der Glücks­spiel­sucht. In Deutsch­land gibt es aktu­ell ca. 215000 patho­lo­gi­sche Glücks­spie­ler; hin­zu­kom­men noch ein­mal ca. 245000 Spie­ler mit pro­ble­ma­ti­schem Spiel­ver­hal­ten mit Sucht­ten­den­zen. Inter­na­tio­nal betrach­tet sind die­se Antei­le rela­tiv gering, was ins­be­son­de­re auf die bis­lang restrik­ti­ve Glücks­spiel­re­gu­lie­rung Deutsch­lands zurück­zu­füh­ren sein dürf­te. In die­sem Zusam­men­hang ist aller­dings zu beden­ken, dass jeder patho­lo­gi­sche Glücks­spie­ler auf schäd­li­che Wei­se ca. 8 bis 10 wei­te­re Per­so­nen – von dem/r Partner/in bis zum Arbeit­ge­ber – beein­flusst. Die Glücks­spiel­sucht, die von allen Süch­ten die mit Abstand höchs­te Ver­schul­dung der Betrof­fe­nen bedingt, ist regel­mä­ßig mit sozia­lem Abstieg für die Spie­ler und ihre Fami­li­en verbunden.

 

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30. Mai 2017