Aufsicht und Regulierung

Vie­les von dem, was mit dem Begriff ‘Des­in­for­ma­ti­on’ belegt wird, mag fak­tisch falsch sein. Es han­delt sich jedoch häu­fig auch um den legi­ti­men und schüt­zens­wer­ten Aus­druck von Mei­nun­gen. Zugleich stellt sich die Fra­ge, wie man fal­schen und bewusst irre­füh­ren­den Infor­ma­tio­nen im Netz ange­mes­sen begegnet.

Platt­for­men wie Goog­le, Face­book, Twit­ter und Co. ergrei­fen jeweils eige­ne Maß­nah­men. Die Lösung der Desinformations-Problematik darf jedoch nicht einem Aus­hand­lungs­pro­zess zwi­schen Inter­me­diä­ren und Wer­be­trei­ben­den über­las­sen wer­den. Einer­seits braucht es ein­heit­li­che Regeln für die Platt­for­men, ande­rer­seits benö­ti­gen Nut­ze­rin­nen und Nut­zer ver­läss­li­che Ori­en­tie­rungs­hil­fen. Der Medi­en­staats­ver­trag ermäch­tigt hier­zu die Lan­des­me­di­en­an­stal­ten in einem Sys­tem regu­lier­ter Selbst­re­gu­lie­rung. Maß­nah­men auf Ebe­ne der EU wie der Digi­tal Ser­vices Act und der Euro­päi­sche Akti­ons­plan für Demo­kra­tie kön­nen die­sen auf die Grund­wer­te der Demo­kra­tie und des Plu­ra­lis­mus aus­ge­rich­te­ten Pro­zess zusätz­lich befördern.

Grundrecht der Meinungsfreiheit

Eine Regu­lie­rung, die den Grund­wer­ten, allen vor­an der Mei­nungs­frei­heit, ange­mes­sen Rech­nung träg, bedarf der Prä­zi­si­on und gründ­li­cher Abwä­gung bei der Ent­schei­dung: Wel­che Ver­hal­tens­wei­sen sind im Kon­text irre­füh­ren­der Behaup­tun­gen für eine Demo­kra­tie nicht tole­rier­bar – und wel­che Aus­sa­gen muss eine demo­kra­ti­sche Gesell­schaft erdul­den? Ziel muss zugleich sein, die demo­kra­ti­sche Gesell­schaft vor bewuss­ter Irre­füh­rung zu schüt­zen. Dies gilt umso mehr, wenn für Inhal­te tech­nisch koor­di­niert künst­li­che Reich­wei­te erzeugt wird (sog. „Coor­di­na­ted Inau­then­tic Beha­vi­or“, CIB).

Jede recht­li­che Reak­ti­on auf Des­in­for­ma­ti­on stellt auch eine (poten­zi­el­le) Beschrän­kung des Grund­rechts auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung und Mei­nungs­ver­brei­tung dar. Auch wenn nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) unzwei­fel­haft erwie­sen oder bewusst unwah­re Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen nicht vom Schutz­be­reich der Mei­nungs­frei­heit umfasst sind, gilt eine Ver­mu­tung zuguns­ten des Schut­zes von Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen. Pri­va­te dür­fen aller­dings kei­ne vor­herr­schen­de Mei­nungs­macht gewin­nen – auch nicht über Des­in­for­ma­ti­on. Die Anwen­dung von Instru­men­ten gegen Des­in­for­ma­ti­on darf staat­li­chen Insti­tu­tio­nen zwar nicht die Macht dar­über ertei­len, den Mei­nungs­bil­dungs­pro­zess in ihrem Sin­ne zu steu­ern. Zugleich begrün­det die objek­tiv­recht­li­che Dimen­si­on der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­grund­rech­te aber auch die Pflicht des Staa­tes, den Mei­nungs­bil­dungs­pro­zess vor demo­kra­tie­ge­fähr­den­der Des­in­for­ma­ti­on zu schützen.

Transparenzpflichten

Die deut­sche Rechts­ord­nung reagiert mit einer Rei­he von prä­ven­tiv und repres­siv wir­ken­den Instru­men­ten­grup­pen auf Phä­no­me­ne von Des­in­for­ma­ti­on: Als prä­ven­ti­ve Instru­men­te wir­ken nament­lich Trans­pa­renz­pflich­ten für bestimm­te Äuße­run­gen. Sol­che Trans­pa­renz­re­ge­lun­gen wer­den sich gegen­über ein­griffs­in­ten­si­ve­ren Maß­nah­men oft­mals als ver­hält­nis­mä­ßi­ges Mit­tel der Wahl im Umgang mit Des­in­for­ma­ti­on erwei­sen, da sie die Bürger:innen bei ihrer indi­vi­du­el­len Mei­nungs­bil­dung unter­stüt­zen, ohne Äuße­run­gen zu ver­än­dern oder gar zu unterdrücken.

Sorgfaltspflichten

Zur Beauf­sich­ti­gung der Ein­hal­tung von Regeln gegen Des­in­for­ma­ti­on sind grund­sätz­lich die staats­fern aus­ge­stal­te­ten Medi­en­an­stal­ten beru­fen, sofern nicht im Bereich der journalistisch-redaktionell gestal­te­ten Tele­me­di­en­an­ge­bo­te gemäß der neu­en Auf­sichts­ar­chi­tek­tur des Medi­en­staats­ver­trags eine Ein­rich­tung der Frei­wil­li­gen Selbst­kon­trol­le vor­ran­gig zustän­dig ist.

Bericht­erstat­tung und Infor­ma­ti­ons­sen­dun­gen müs­sen den aner­kann­ten jour­na­lis­ti­schen Grund­sät­zen ent­spre­chen, unab­hän­gig und sach­lich sein. Nach­rich­ten sind vor ihrer Ver­brei­tung sorg­fäl­tig auf Wahr­heit und Her­kunft zu prü­fen.

Die Stan­dards jour­na­lis­ti­scher Sorg­falt für die Print‑, Rund­funk und Online­me­di­en wer­den im Pres­se­ko­dex, dem Regel­werk des Deut­schen Pres­se­rats, fest­ge­legt. Er ent­hält publi­zis­ti­sche Regeln, die ein Min­dest­maß an jour­na­lis­ti­schen Qua­li­täts­stan­dards sichern sol­len. Dazu gehört unter anderem:

 

  • die Wahr­heit und die Men­schen­wür­de zu achten
  • Wer­bung und Redak­ti­on zu trennen
  • nicht ein­sei­tig zu berichten
  • die Per­sön­lich­keits­rech­te zu respek­tie­ren und vor Dis­kri­mi­nie­run­gen zu schützen
  • Bericht­erstat­tung und Kom­men­tar zu trennen

Wäh­rend für Print­me­di­en der Deut­sche Pres­se­rat zustän­dig ist, erfolgt die Kon­trol­le der Ein­hal­tung des Pres­se­ko­dex im pri­va­ten Rund­funk durch die Lan­des­me­di­en­an­stal­ten. Journalistisch-redaktionelle Tele­me­di­en kön­nen sich für die Ein­hal­tung der jour­na­lis­ti­schen Grund­sät­ze auch einer aner­kann­ten frei­wil­li­gen Selbst­kon­trol­le unter­wer­fen. Die Aner­ken­nung der­ar­ti­ger frei­wil­li­ger Selbst­kon­troll­ein­rich­tun­gen wird von den Medi­en­an­stal­ten vorgenommen.

Merk­blatt Jour­na­lis­ti­sche Sorg­falt in Online-Medien (PDF)

Weitere Maßnahmen

Repres­si­ve Instru­men­te umfas­sen die Ergän­zung, Kor­rek­tur oder Ent­fer­nung einer Äuße­rung, bewir­ken die Ahn­dung einer Äuße­rung als Straf­tat oder Ord­nungs­wid­rig­keit und bestim­men eine Äuße­rung als Grund für das Leis­ten von Scha­den­er­satz. Dane­ben haben sowohl pri­va­te Unter­neh­men – allen vor­an die Betrei­ber von Inter­me­diä­ren – als auch ande­re Rechts­ge­mein­schaf­ten wei­te­re Instru­men­te ent­wi­ckelt, zu denen bei­spiels­wei­se die Redu­zie­rung der Sicht­bar­keit von Inhal­ten sowie der Ein­satz von soge­nann­ten Fak­ten­che­ckern zählen.